„Walsche kemmen, Walsche kemmen!“

Ferdinand von Marsoner (geb. 1915), Dableiber

Ferdinand von Marsoner wurde am 03.04.1915 geboren. Besuchte fünf Jahre die deutsche Schule und dann drei Jahre die italienische Schule. Danach kam ich in das Gymnasium Johanneum.

Das erste Mal, dass ich mit Italienern in Berührung kam war 1919, als ich als Vierjähriger Junge vor dem Stall spielte und in der Feme die zwei Carabinieri auf mich zukommen sah. Ich erschrak und habe geschrien: „Walsche kemmen, Walsche kemmen!“ Die haben dann mir die Faust gezeigt und ich bin vor lauter Angst sofort ins Haus gelaufen.

Zum ersten Mal kam ich mit dem Faschismus in Berührung 1926. Dort kam es im November eine Woche lang zu einem Schulstreik der Ultner Frauen. Ich war Ministrant und konnte so das Geschehen mitverfolgen, denn die Schule war unmittelbar neben der Kirche. Der Kirchplatz war gut gefüllt mit Frauen. Es werden an die fünfzig Frauen gewesen sein, die eine Wiedereinführung der deutschen Schule forderten. Der italienische Lehrer wusste sich nicht mehr zu helfen und schickte eine Lehrerin ins Dorf, um die Carabinieri zu holen. Sie sollen ausrichten, er sei in größter Gefahr. „Der Herrgott hat die Kinder uns gegeben und nicht dem Staat!“, forderten die Frauen. Die Carabinieri forderten die aufgebrachten Frauen auf nach Hause zu gehen und die Kinder wieder in die Schule zu schicken. Doch die Frauen waren nicht dazu zu bewegen. Erst nach langem hin und her konnten schließlich die Frauen vom Kirchplatz vertrieben werden. Nur vier Frauen nicht. Die wurden dann von den Carabinieri abgeführt und nach Lana gebracht. Die Verhaftung der Frauen stieß dann auf heftigen Widerspruch der Abgeordneten und der Kirche. Bischof Geisler kritisierte das Geschehen heftig. Auch Stresemann und Seipel beschwerten sich beim Völkerbund über das Vorgehen der italienischen Regierung gegenüber den Frauen. Der König von Belgien, so hat es mir Tinzel erzählt, sprach von einer Schande für Italien, wenn man Frauen so behandeln würde, nur weil sie für Schulunterricht in der Muttersprache eintraten. Es gab auch Gerüchte, dass sogar der Vatikan protestiert hat. Am 22. Dezember schließlich gab Mussolini den Befehl die Frauen umgehend frei zu lassen und es dürfe nicht mehr über dieses Thema geschrieben werden. Als die Frauen dann zurückkamen, wurde ich vom damaligen Karat beauftragt ein Gedicht einzulernen, welches ich den Frauen vortragen sollte. „Wir begrüßen in unserer Mitte die Heldinnen für Sprache und Sitte“, so begann das Gedicht. Um die Rückkehr feierlicher zu gestalten, hatte der Tinzel eine Kutsche organisiert, um die Frauen ins Dorf zu bringen. Als ich dann dieses Gedicht aufgesagt habe, dann haben die Frauen angefangen zu weinen. Mir war das gar nicht recht und ich wusste nicht was ich verbrochen hätte, dass die Frauen nun weinen müssten. Da hat der Dr. Pardeller zu mir gesagt: „Na, Ferdinand, do brauchsch dir nichts draus zu mochen, des sein jo Tränen der Freude!“

Den Faschismus habe ich eigentlich recht bald als Bedrohung gesehen. Bereits 1921 wurde ein junger Ultner beim „Kropfenlottern“85 von einem Carabinieri angeschossen und dann ließen sie ihn verbluten. Daraufhin wollten die Ultner die Kaserne der Carabinieri stürmen und den Toten rächen. Doch der damalige Bürgermeister versuchte die Leute zur Vernunft zu bringen, indem er erklärte, dass falls sie die Kaserne stürmen würden schon bald noch mehr Carabinieri da sein würden. Daraufhin haben in die Leute als „Walschendiener“ beschimpft, aber die Kaserne haben sie doch nicht mehr gestürmt.

Beunruhigt waren wir auch durch die Vorgänge in Meran und Bozen. Die Tageszeitung wurde verboten, die Straßennamen wurden dort zu erst durch italienische ausgetauscht. Doch schon bald wurde das auch bei uns durchgeführt. Wir hatte auf dem Haus stehen Matthias Marsoner. Doch schon bald wurde das durch eine italienische Bezeichnung ersetzt. Da hat mein Vater dann ein Brett darüber getan, damit man nicht die italienische Schrift sehen konnte.

In Ulten war der Italiener Pocciopolini Podestà. Dieser ginge immer durchs Dorf und wenn er etwas in den Gärten entdeckte was ihm gefiel, dann mussten es ihm die Leute geben. Und wenn er mal ausnahmsweise zur heiligen Messe gegangen ist, dann mussten wir ihm immer einen gepolsterten Stuhl hinstellen. 1930 wurde dann der letzte Bär in Ulten geschossen. Und den hat der Podestà auch gleich für sich eingezogen, was ihm die Ultner Jäger nie verziehen. Ich persönlich hatte auch so meine Erfahrungen mit dem Podestà. 1941 ließ er mich vom Schuldienst suspendieren, weil er anscheinend mitbekommen hatte, dass ich heimlich in der Katakombenschule unterrichtet habe.

Dann kam die Saarabstimmung. Und die haben wir zuhause mit großem Interesse verfolgt. Da hat der Kooperator Johann Kuntner zu meinen beiden Brüdern gesagt, dass sie doch ein Freudenfeuer anzünden sollten, um ein Zeichen zu setzen. Meine beiden Brüder haben dann ein Feuer auf eine Wiese in St. Walburg angezündet und sind dann zum „Gfäll-Hof“ gegangen Radio horchen. Es lag Schnee und so konnte der herbeigeeilte Förster leicht die Spuren der beiden Verfolgen und sie wurden dann auch bald gestellt. Einer meiner Brüder wurde gleich wieder freigelassen. Der ältere Bruder, der Franz, der wurde dann drei Monate eingesperrt. Der Kooperator meldete sich aber dann und sagte, dass er der Hauptschuldige sei. Daraufhin kam auch der ältere Bruder frei und der Kooperator wurde dann für sieben Jahre in ein italienisches Kloster verbannt. Die Saarabstimmung hatte für kurze Zeit auch bei uns hier die Hoffnung auf einen Anschluss an Deutschland gestärkt, aber diese Hoffnung verflog dann bald.

Die Hauptgründe für die Option waren für mich, neben der ganzen Unterdrückung und Benachteiligung, die ERA und das Arbeitsamt. Früher konnte man sich die Arbeiter, welche man anstellen wollte, aussuchen, jetzt wurden sie vom Arbeitsamt zugewiesen. Nachdem die Arbeitsämter in italienischer Hand waren, bekamen auch nur mehr Italiener Arbeit. So hatten unserer jungen Leute hier überhaupt keine Aussicht mehr auf einen Arbeitsplatz.

Die ERA hingegen war in der Lage nach Belieben Besitztümer willkürlich zu enteignen. Ich erinnere mich an einen Fall in Freiberg, oberhalb von Untermais. Dort haben sie fünf alteingesessene Bauern plötzlich enteignet und haben dort italienische Pächter angesiedelt. Wir fühlten uns der Willkür der italienischen Regierung ausgeliefe1i.

Ich arbeitete von 1937-39, auf Betreiben der Eltern, freiwillig als Katakombenlehrer. Bei einem Treffen mit Hilde Nicolussi, fragte mich diese, ob ich nicht direkt für die Organisation „Deutschtum im Ausland“ arbeiten möchte, dabei hätte ich auch etwas über deren Geheimkasse bezahlt bekommen, aber mein Vater riet mir davon ab: „Das bisschen Essen kriegst du schon trotzdem hier zu Hause auch wenn du für andere arbeitest.“ Von den Eltern bekam ich immer mal was zugesteckt, aber leben hätte man davon nicht können.
Durch meine Tätigkeit als Katakombenlehrer bin ich auch das erste Mal mit dem VKS (Völkischer Kampfring Südtirol) in Verbindung gekommen. Dort habe ich immer wieder gehört, dass es für uns mit diesem „Gauner“ Hitler, so hat man wörtlich gesagt, immer gefährlicher wird. Gauner deshalb, weil er uns verraten hat. Man sprach auch davon, dass eine Delegation nach München gefahren sei, um gegen die Option vorzusprechen. Damals sprach man noch von einer gewaltsamen Aussiedlung.

Eine wichtigere Rolle als der VKS spielte der Deutsche Verband für mich. Ich war immer mit dem Tinzel in Verbindung. 1938 kam es dann zum Anschluss Österreichs. Aber in unserer Familie setzte man wenig Hoffnung drauf, dass Hitler nun auch in Südtirol einmarschiert. Besonders schwer hat uns ein Trinkspruch Hitlers getroffen, den er 1937 bei einer Romfahrt getätigt haben soll: „Ein Vermächtnis an das deutsche Volk, ist die immerwährende Respektierung der Alpengrenze.“ Und als er dann von Rom kommen durch Südtirol fuhr hatte er ja demonstrativ alle Vorhänge seines Abteils geschlossen. Als er dann in Innsbruck ankam, haben ihm zwei Kinder in Burggräfler Tracht Vergissmeinnicht überreicht. Hitler reagierte ziemlich ungehalten und rügte Franz Hofer, der das ganze organisiert hatte.

Am 23. Juni 1939 wurde die Berliner Vereinbarung unterzeichnet. Heute spricht man dabei nur mehr vom Hitler – Mussolini abkommen. Ein paar Tage später wurde Pöder Johann, er war Mitglieder der faschistischen Partei, zu einer Versammlung nach Meran eingeladen, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass in Berlin der Vertrag zur Umsiedlung der Südtiroler unterzeichnet worden sei. Zuerst schenkte man dem ganzen keinen großen Glauben. Eine solche Gemeinheit würde doch niemand machen. Doch immer offensichtlicher wurde das Ganze, als die ERA vermehrt begonnen hat Höfe in ihren Besitz zu bringen. Zu dieser Zeit hatten sie Südtirol weit bereits ca. 1.000 Höfe enteignet. Dann hieß es, dass 20.000 Südtiroler, egal wie die Abstimmung verlaufen sollte, unterhalb des Pos angesiedelt werden sollten, manche sprachen auch von einer Ansiedelung in Sizilien. In den ersten Monaten kam es auch zu intensiver Werbung für die Option von Seiten des Präfekten Mastromattei Im Oktober 1939 kam es schließlich zur zweiten Vereinbarung zur Umsiedlung. Darauf wurde eine Versammlung beim Gasthof Eggwirt in St. Walburg abgehalten und dort waren auch ein paar Vertreter der Faschistischen Regierung anwesend. Diese sprachen davon, dass das Ziel der Option nicht die Berggebiete, sondern hauptsächlich die Städter und die Arbeiter seien die Zielgruppe der Option. Vor allem diese sollten ausgesiedelt werden. Den Vertretern der faschistischen Partei habe ich dann während der Versammlung einige Fragen gestellt. Ob es uns dann wieder gestattet würde die deutsche Schule zu öffnen, ob wir wieder unsere deutschsprachigen Zeitschriften bekommen würden und ob die Enteignungen der ERA aufhören würden, sofern wir uns für Italien entscheiden würden. Auf alle meine Fragen bekam ich eine negative Antwort. Am darauffolgenden Tag begann dann die eigentliche Option. Mir gaben sie dafür die Schuld, da ich mich getraut hatte diese Fragen zu stellen. Aber ich habe die Fragen doch nur gestellt, weil ich der einzige anwesende Ultner war, der einigermaßen Italienisch gekonnt hat. Kurz darauf folgte eine weitere Versammlung beim Schmiedhof in Kuppelwies. Dabei war auch Kanonikus Michael Gamper anwesend. Der legte uns ans Herz dass die Bauern bleiben sollten. Die Arbeiter und die Angestellten, welche alle entlassen worden waren, hätten auswandern können. Denen hätte man es nicht verübeln können. Die hätte ja im Falle, dass sich die Situation ändert wieder zurückkehren können. Schon bald zeichnete sich ab, dass die Mehrheit für eine Option stimmen würde. Es war eine verzweifelte Situation. Ich weiß von einem Fall in Marling, wo sich einer aus lauter Verzweiflung erhängt bat und solche Fälle gab es mehrere. Den letzten Ausschlag für unsere Familie zu optieren gab der Besuch von ein paar Bekannten aus Innsbruck. Einer von ihnen war Josef Marsoner, der Besitzer des Musterhofes in Kematen bei Innsbruck. Im Verlauf des Gespräches wurde immer klarer, dass auch wir für Deutschland optieren würden. Hätte wir uns nicht für Deutschland entschieden, dann hätte der Italiener sagen können, dass wir uns freiwillig für Italien entschieden hätten und von da hätten wir uns überhaupt nicht mehr wehren können. Und wenn der Krieg vorbei wäre, dann könnte sich ja auch die politische Lage dort ändern. „Hitler kommen und gehen, Deutschland bleibt bestehen!“, sagte einer der Bekannten bei der Besprechung. Andere versuchten ihn zum Bleiben zu bewegen. Mein Vater ist dann in den Wald verschwunden und die Mutter in Sorge, dass er sich was antut ihm nach. Drei Tage vor Ende der Option bat er dann für Deutschland optiert. Zu Racheakten zwischen den Dableibern und den Optanten kam es meines Wissens nicht. Es gab schon kleine Streitigkeiten. Schlimmer war es dann nach dem Krieg. Mitte Jänner 1940 wurde ich dann gefragt, ob ich bei der Schule für die Optanten mitarbeiten wolle. Ich sagte zu und musste daraufhin eine Prüfung in Bozen ablegen. Am 5. März bekam ich dann einen Brief, in dem ich mit der Leitung der deutschen Sprachkurse in Ulten beauftragt wurde. Als Hilfe wurde mir Berta Unterholzner zur Seite gestellt. 138 Kinder hätte wir betreuen sollen.

Dann wurden die ersten Ergebnisse der Option bekannt. In St. Pankraz hatten 80 Prozent, in St. Walburg an die 90 Prozent, in St. Nikolaus 70 Prozent und in St Gertraud wieder 80 Prozent für Deutschland optiert. Als mich damals einige gefragt haben, wie sie optieren sollten, da habe ich allen geraten nicht zu optieren. Weder deutsch noch italienisch zu optieren. Denn wenn man dann sieht, so und so viele haben nicht optiert, dann haben wenigstens nicht die Faschisten die Genugtuung zu sagen wir hätten für Italien optiert. Die Hälfte der Italien Optanten haben meinen Rat befolgt und nicht optiert. Besser wäre es noch gewesen, keiner hätte für Italien direkt optiert. Ein Grund für die hohe Zustimmung war sicherlich auch, wie schon erwähnt, das Gerücht, dass die Dableiber nach Sizilien kommen würden. Es gab auch einzelne Rückoptionen, aber nicht viele. Ich kann mich nur an zwei, drei erinnern, die erst fürs Dableiben und dann doch für das Auswandern gestimmt haben. Immer wieder kam es zu Konflikten mit den italienischen Vertretern im Dorf. Der Maresciallo war im Dorf sehr unbeliebt. Einmal ging er in den Mittererladen um dort die Lebensmittelkarten zu kontrollieren. Dabei war er sichtlich bemüht etwas zu finden, worauf die Verkäuferin Klara ihm zurief: „Es seid lei do uan zu fuchsn!“86 Woraufhin der Maresciallo die Klara dann wegen Amtsehrenbeleidigung anzeigte. Thr Rechtsanwalt riet ihr dann einen Sachverständigen zu besorgen, welche in der Lage wäre das W01t „fuchsen“ zu deuten. Sie fragte mich und ich erklärte mich bereit vor Gericht als Sachverständiger auszusagen. Dann wurde ich in den Zeugenstand gerufen. „Cosa vuol dire queste vostra parola fuchsn?“, fragte mich der Richter. Ich überlegte was ich sagen sollte. Zuerst :fiel mir das Wort secchieren87 ein, aber das hätte auf Italienisch secchare88 bedeutet und das hätte ich nicht sagen können. Und dann viel mir ein, dass man „fuchsen“ auch mit necken übersetzen könnte. Necken heißt es ja irgendwie auch und so war es ja nicht gelogen. Der Richter schlug dann in einem Lexikon nach, was das Wort necken nun bedeuten würde. Er fragte dann wiederum mich, ob ich ihm das Wort mit einem Satz erklären könne. Dann fiel mir etwas ein und ich dachte mir, dass sie mich entweder einsperren würden, oder alle lachen würden.

„Liebe neckt sich!, erwiderte ich dem Richter. Und auf einmal begannen alle zu lachen. Und der italienischer Rechtsanwalt sagte lachend, dass der Maresciallo wohl nur kein Gehör gefunden habe bei der „bella bionda“ und deswegen hätte er sie wohl vor Gericht gebracht. Die Richter zogen sich dann zur Beratung zurück und nur fünf Minuten später kamen sie zurück und sprachen die Angeklagte frei.
Zwei Tage später kam es dann zu einer Hausdurchsuchung bei uns zu Hause. Der Maresciallo wollte mir unbedingt eins auswischen. Mein Vater hat viel gebastelt und deshalb hatte er auch einiges an Eisen im Haus. Damals war es aber vorgeschrieben das ganze Eisen für Kriegszwecke abzuliefern. Daraufhin zeigte mich der Maresciallo an und wiederum musste ich vor Gericht erscheinen. Ich kannte in Meran den Alteisenhändler Gritsch, den ich fragte, ob er mir nicht eine Bestätigung ausstellen könnte, dass ich das Eisen bei ihm gemeldet hätte und er nur noch nicht Zeit gehabt hätte das Eisen bei mir abzuholen. Dieser gab mir die Bestätigung und mit dieser Bestätigung erschien ich dann vor Gericht. Der Richter erschien und warf mir dann vor, dass ich das Material nicht abgeliefert hätte. Daraufhin erwiderte ich, dass erstens nicht ich für das Eisen verantwortlich wäre, sondern mein Vater, als Hausbesitzer und dass ich zweitens ja eine Bestätigung für die Meldung hätte. Und wieder verlor der Maresciallo vor Gericht.

Im August 1944 musste ich schließlich einrücken. Dort hatte ich für die Versorgung der Truppen mit Verpflegung und Verbandsmaterial zu sorgen. Einmal wurde ich nach Meran geschickt, um dort Verbandsmaterial zu holen. Dabei machte ich auch einen Abstecher nach Hause. Kaum aus dem Bus ausgestiegen, kam schon der Gendarmeriemeister auf mich zu und fragte nach meinen Papieren. Sofort teilt er mich zu einer Wachmannschaft ein. Am nächsten Tag trat ich dann die Wache an. Am 10. Mai stand ich mit zwei SOD Leuten Wache. Auf einmal kamen ein Paar amerikanische Jeeps uns entgegen. Einer der SOD Leute sagte, wir sollten davonlaufen, aber das taten wir nicht, denn wir hatten Angst, dass sie uns dann erschießen würden. Wir legten unsere Waffen hin und stellten uns mit erhobenen Händen auf. Kurz darauf wurde ich von den Amerikanern beauftragt, für Ruhe und Ordnung im Dorf zu sorgen. Nun war ich drei Wochen lang SOD Chef im Ort. Ende Mai bekam dann wieder die italienische Polizei die Zuständigkeit für das Gebiet. Ein paar Tage später kam ein Mann mit dem Fahrrad aus dem Dorf und teilte mir mit, dass im Dorf die ersten Carabiniere angekommen wären und dort schon die ersten Leute verhaftet worden wären. Dabei sei auch mein Name gefallen. Da habe ich mir gedacht, dass ich mich jetzt nicht mehr einsperren lasse und bin in die geflohen und habe mich versteckt. Bis August habe ich mich in einem kleinen Holzstall oberhalb von St. Walburg versteckt. Im August habe ich dann gehört, dass man in Bozen bei dem irischen Pater Patrick einen Entlassungsschein kriegen hätte können. Ich bin dann zu ihm gefahren und habe ihm das ganze erklärt. Er bat mich zu warten und eine halbe Stunde später kam er dann mit dem Entlassungsschein. Dann war ich frei und dennoch habe ich den Italienern nicht getraut.

Wenig später bekam ich die Ernennung zum Lehrer in der Nähe von Naturns. Dort habe ich dann drei Monate unterrichtet. Zu Weihnachten wurde ich dann nach Karthaus geschickt, um dort zu unterrichten. Am 25. April habe ich dort Unterricht gehalten, weil ich nicht wusste, dass dies ein italienischer Staatsfeiertag war. Daraufhin wurde ich angezeigt und wurde suspendiert und kam vor das Operationsamt. Dort wurde ich dann mit zwei zu drei Stimmen meines Amtes enthoben. Die Begründung war, dass ich, weil ich an einem Feiertag Unterricht gehalten habe, nationalsozialistische Tendenzen hätte.

1948 musste man dann die Erklärung zum Widerruf der Optionserklärung abgeben. Im April 1948 teilte man mir dann mit, dass ich, weil ich 1942 in Innsbruck die Lehrerbildungsanstalt besucht habe, abgewandert gewesen sei und deshalb hätte ich kein Anrecht mehr auf die italienische Staatsbürgerschaft. Acht Jahre lang musste ich dann warten, bis ich schließlich die italienische Staatsbürgerschaft zurückbekommen habe. Ein anderer Grund dafür, dass es acht Jahre gedauert hatte war sicherlich auch die Tatsache, dass der Maresciallo mir immer noch etwas für die beiden verlorenen Prozesse heimzahlen wollte und mich deshalb als Nazi bezeichnete.