Ach, wie ist das Schicksal bitter

Der folgende Brief von Melanie Unterrainer, die mit ihrem Mann Friedrich Engl, genannt „Drummler“, ausgewandert ist, zeigt, dass die einstige Begeisterung sehr rasch verflog und dass sich bald heftiges Heimweh einstellte. Der Brief ist an die Familie Engelbert Mair von Ungerland gerichtet, wo Melanies Mann Friedrich aufgezogen wurde.

Weißenbach, 22. VI. 1941

Meine Teuren!

Ich setze mich hin, ganz in Trauer versunken, um wenn es möglich ist, Euer liebes Schreiben zu beantworten, welches ich mit unglaublicher Freude erhalten hab. Recht innigsten Dank dafür; ich hab gesehen, daß es mit Eurer Gesundheit nicht am besten ist, und hoffe Euch alle wieder besser mit diesem Brief anzutreffen. Es ist bald zum Närrischwerden. Ich bin in ungefähr einem Jahr verdrießiger und schwermütiger geworden, daß ich es fast selber nicht glauben kann. Kann schon manches weißes Haar am Kopf finden, auch hie und da eines beim Friedl. Sonst sind wir alle gesund. Auch euer kleiner Albin. Er ist jetzt – ja eigentlich alle drei – geimpft worden – gegen Diphtherie – zweimal nacheinander. Doch es hat ihnen nicht viel getan. Der Albin ist wohl etwas lästiger gewesen, aber es geht schon wieder besser; er hat so immer eine zarte Farbe gehabt und jetzt ist er ganz braun. Die Luft ist zu rauh für ihn und auch zu warm; es ist vergangene Woche so ungemein heiß gewesen, daß es Erwachsene kaum derpackt haben. Es wäre halt immer der gleiche Wunsch „das Dreinsein“ bei meinen lieben Verwandten und Bekannten und besonders wenn der Friedl auch fort muß, da wir uns jetzt so gut verstanden haben und glücklich mitsammen Freud und Leid geteilt haben und jetzt verlassen wie der Stein auf der Straßen – unter lauter fremden Leuten. Ich glaub manchmal, es muß mir das Herz zerspringen. Oftmals wollte ich schon verzagen und ich dachte, ich trüge es nie und doch muß ich es tragen. Aber fragt nicht „wie“. Ich hab heute anständig das Herz Jesu zuhanden genommen und bitte Euch, uns bei der Schmerzensmutter nicht zu vergessen; sonst kann man heute nichts tun. Sind drein schon viele Männer fort? Da kommt alles dran. Mich tät es sehr interessieren, was mit dem Kopf ist, wie der Göte geschrieben hat. Bitte schreibt mir nähere Auskunft. Für den Brief vom Göte sage ich auch recht herzlichen Dank. Der Friedl schreibt ihm selber Antwort und von meiner Seite wünsche ich ihm recht gute Besserung und bitte Euch recht schön um ein Foto, wie der Göte geschrieben hat. Ich werde die lb. Eltern bestimmt nie vergessen.

Ach, wie ist das Schicksal bitter;
Ach, wie sind die Zeiten schwer!
0, wie lange wird es dauern,
Gibt‘ s denn keine Hoffnung mehr?

Nun schließe ich mit den herzlichen Grüßen von uns allen, Eure Melanie und Albin. Heil Hitler!

Nachschriften: Bitte wieder einmal um Antwort. Lebt wohl und bleibt gesund, bis wir uns wiedersehen. Grüßt mir auch die Mair Moidl (eine Tante der Melanie)! Hab ihr zweimal geschrieben, aber keine Antwort erhalten.

Durch das Pariser Abkommen von 1946 erhielten die Optanten die Möglichkeit, ihre Option für Deutschland zu widerrufen und um die italienische Staatsbürgerschaft anzusuchen, und zwar auch jene, die nicht in Deutschland eingebürgert waren.