Charlotte Müller, geb. Thaler (geb. 1933) Rücksiedlerin aus Meran: „Wir Südtiroler waren natürlich nicht sehr beliebt, das muss ich jetzt sagen“, so Charlotte Thaler Müller. Sie war 1940 0der 1941 mit ihrer Familie ausgewandert und nach Pradl gezogen. Fremd sei sie sich vorgekommen. „Es hat immer geheißen: Die Walschen sind da“, erinnert sich die Optantin.
In Pradl ging sie dann auch Schule. „Ich habe eine Lehrerin gehabt, die war sehr eine fanatische Person, also für den Hitler“, so Thaler Müller. Wenn mit den sechs Auswanderer-Schülern irgendetwas war, dann hätten sie nachsitzen müssen. Thaler Müller musste etwa über die Mittagszeit 2 Stunden allein im Klassenzimmer nachsitzen, weil sie zu spät in die Schule kam. Aus Langeweile habe sie sich aus Stanniol, das dort in einer Kiste gesammelt wurde, Bällchen gedreht. „,Und dann ist mir noch langweiliger geworden, da hab ich mir gedacht, daheim haben wir kein Spielzeug, nichts, ich nehme mir ein so ein Stanniolbällchen mit“, berichtet sie. Sie habe sich nicht dabei gedacht, als sie es in die Schultasche packte, schließlich habe sie selbst ja auch Stanniol in die Kiste gegeben.
Zuhause gab es dann erstmal eine Strafe, weil das Nachsitzen ja aufgefallen und den Eltern gemeldet worden war. Doch dass sie mit ihren 14 Jahren vor dem Jugendamt als Saboteurin angezeigt wurde, war dann doch überraschend. Grund: Unterschlagung von Kriegsgut Stanniol. Und das war im Jugendamt eingetragen. „Das habe ich mein ganzes Leben nicht vergessen, dass diese Lehrerin mich angezeigt hat“, so Charlotte Thaler Müller.
Foto: Charlotte Müller geb. Thaler in „Option und Erinnerung“
Quelle: Elisa Heinrisch – Option und Geschlecht. Genderspezifische Handlungsräume in der Erinnerung von ZeutzeugInnen/Zeitzeugnissen (Vortragsmanuskript zur Tagung “Option und Erinnerung”, 2./3. Oktober 2014, Freie Universität Bozen)