Günther Andergassen 1930 in Margreid geboren, späterer Musiker und Freiheitskämpfer, erinnert sich in seinem Buch „Ohne Opfer keine Freiheit“ ausführlich an seine Zeit der Auswanderung. Seine Eltern und er, damals 10 Jahre alt, verließen die Heimat Margreid, eine äußerst schmerzliche Erfahrung. Nach einem Zwischenstopp in Innsbruck in Wels in Oberösterreich angekommen, widerfuhr Familie Andergassen das Schicksal vieler anderer Optanten: So gut wie nichts von dem, was ihnen versprochen worden war, traf ein und zu Anfang wurden sie nicht mit offenen Armen empfangen. Zudem kamen die seelischen Wunden: „Unsere starke Bindung an die angestammte Heimat musste überwunden werden, und das war so unsagbar schmerzlich, dass wir uns später, als wir uns im „neuen Leben“ längst zurechtgefunden hatten, noch öfters gefragt haben, ob es nun wohl richtig gewesen war, Südtirol zu verlassen“, erzählt Andergassen. Eine Frage, die er letztlich doch entschieden mit „ja“ beantwortet, da das Ziel der Auswanderung war, Günther eine gute deutsche Schulbildung zu bieten. Und das gelang: Nach einigen Monaten in Wels zog es die Familie nach Innsbruck, wo der Vater eine Anstellung als Goldschmied erhielt. Günter schließlich gelang die Aufnahmeprüfung für die Eliteschule in Pirna bei Dresden, eine der 12 sogenannten Adolf-Hitler-Schulen. Dort erhielt er, wie er betont, trotz keinerlei Nazi-Verbindungen seiner Familie und ohne von den Gräueltaten des Nationalsozialismus zu erfahren, eine solide Basis für seine spätere Laufbahn, in der er sich u.a. als Komponist einen Namen machte.
Erfolgreiche Zeit in Innsbruck
Nach seiner Rückkehr 1945 nach Innsbruck entdeckte Andergassen weiter seine Liebe zur Musik, gründete einen Kirchenchor und studierte Andergassen Kunstgeschichte, Anglistik, Romanistik und Musikwissenschaft sowie später Musikerziehung und Komposition in Salzburg. Er heiratete seine Frau Elvira und lebte gemeinsam mit ihr und Sohn Johannes am Inn.
Erst 1950 konnte er dank Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft wieder nach Südtirol einreisen, vorher war ihm das als Staatenloser nur über die „grüne Grenze“ möglich.
„Prekäre Situation“: Freiheitskämpfer für Südtirol ab 1960
Tausende Südtiroler, die im Ausland Arbeit suchen mussten, öffentliche Stellen, die an zugewanderte Italiener und nicht an Südtiroler vergeben wurden, „Volkswohnhäuser“, die Italienern vorbehalten waren: Diese Entwicklung und die Entstehung der Südtiroler Autonomie, die Andergassen von Anfang an als ausgehöhlt empfand, beobachtete er mit wachsender Sorge und schloss sich im Herbst 1960 dem Befreiungsausschuss Südtirol an um mit der Feuernacht selbst aktiv im Widerstandskampf zu werden. Er sprengte in der Herz-Jesu-Nacht 1961 zwei Masten in Bozen Gries/Moritzing.
Zahlreiche weitere Aktionen folgten in den kommenden 1-2 Jahren, während Andergassen weiterhin seiner umfangreichen Lehrtätigkeit in Innsbruck und Salzburg nachging.
1964 wurde er in Venedig verhaftet und saß bis Dezember 1970 ein. Danach setzte er seine Lehrtätigkeit weiter fort und arbeitete als Musiker und Komponist, ging schließlich als Direktor des Landeskonservatoriums Vorarlberg in Pension.
Politisch sah Andergassen einiges erreicht für Südtirol, wobei er als größten Traum die Selbstbestimmung und Schleifung faschistischer Denkmäler mit ins Grab nahm. Er lebte bis zu seinem Tod 2016 in Innsbruck mit Ehefrau Elvira.
Foto 1: Beim Abschied von der Heimat: Günther Andergassen (Mitte vorne) im Kreis seiner Familie.
Foto 2: Wiedersehen mit seinen Eltern (im Bild der Vater) bei Kriegsende in Tirol.
Foto 3: Im späteren Zuhause in Hötting/Innsbruck mit Gattin Elvira.
Quelle: privat in „Ohne Opfer keine Freiheit“